Tee bei Sibylle

Was ist nur mir Sibylle? Jetzt habe ich schon drei mal an der Haustür geklingelt und sie hat immer noch nicht geöffnet. Seit Joachim ausgezogen ist hat meine Freundin sich verändert…
Die Tür wird auf- und ich aus meinen Gedanken gerissen. Sibylle steht leicht abgehetzt mit halb umgebundener Küchenschürze im Türrahmen: “Entschuldige, ich war im Waschkeller.”
“Oha”, entgegne ich und finde, dass ihr das gar nicht ähnlich sieht. Sibylle hat nämlich heute unseren Nachmittags-Tee zubereitet und wer sie kennt weiß, dass sie in dem was sie tut Perfektionistin ist.
Also, noch Wäsche waschen bevor ein Gast kommt ist eigentlich undenkbar.
Hängt alles mit der Trennung von ihrem oberkorrekten Ehemann zusammen, kann ja nur…
“Was ist, willst du nicht reinkommen?” Oh, ich war schon wieder in Gedanken..

“Das sieht aber schön aus”, und wirklich, Sibylle hat einen richtig englischen Tee Tisch vorbereitet.
Von der Etagere aus lachen mich Scones, Sandwiches und kleine Törtchen an.
“Dein Rezept”, Sibylle deutet auf die Scones und streift ihre Schürze ab,
“Und jetzt erst mal einen Portwein.” Oh nein! Hatte ich schon erwähnt, dass ich keinen Portwein mag?!
Alle, die mich kennen wissen, dass ich leidenschaftlicher England Fan bin, aber es gibt tatsächlich einige wenige traditionelle Dinge, mit denen ich mich (leider) nicht anfreunden kann. Portwein gehört dazu.
Na gut, da muss ich jetzt wohl durch… Dann mal Prost!

“Was hast du denn nun vorhin im Waschkeller gemacht?” will ich wissen während ich mich vom Aperitif erhole und mir ein Gurken-Kresse Sandwich angele.
“Ach, du wirst begeistert sein, und ich bin es übrigens auch!” “Begeistert bin ich von deinen britischen Kreationen!”und das meine ich ehrlich. “Danke dir! Aber im Ernst: Ich habe dein Weichspüler Rezept ausprobiert. Und du hast wirklich nicht zuviel versprochen, der ganze Keller riecht frisch und auch die Wäsche. Sie ist schön weich und alles ohne gesundheitsschädliche Synthetik. Und dabei noch so günstig, einfach toll!” Sibylles Augen glänzen wie früher, wenn sie von Meister Propper sprach. Wer hätte das gedacht, dass sie sich jemals für natürliche Produkte begeistern würde… Eine befreundete Psychologin sagt immer: Steter Tropfen höhlt den Stein – Ist was dran und bei den Ölen bekommt der Spruch nochmal eine ganz neue Bedeutung.

In diesem Sinne genieße ich mit meiner Freundin den Tee.