Was ist mit Joachim los?

“Und wie läuft es denn so bei dir und Joachim?” Sibylle und ich haben uns zu einem Kaffee in der Stadt getroffen und wir genießen die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen auf dem Münsterplatz.
“Ach, Joachim ist im Moment sehr beschäftigt. Er hat ständig Meetings nach der Arbeit und am Wochenende braucht er dann einfach mal einen Ausgleich und trifft sich mit alten Studienkollegen zum Wandern.”
Ich horche auf. Joachim trifft sich zu Freizeitprogramm mit alten Freunden? Das sieht ihm ja gar nicht ähnlich!
Gut, wär es mein Freund Moritz, würde ich mich nicht wundern. Er hat ständig an Wochenenden Trips mit irgendwelchen Kumpels, die er noch aus seiner Schulzeit kennt und lässt sich davon auch nicht durch seine Partnerin abbringen. Wäre es Hubertus, wäre mir sofort klar, dass er eine Affäre hat. Aber Joachim?!?!?!?
Joachim geht gewissenhaft seiner Arbeit nach, ist gewissenhafter Vater und gewissenhafter Ehemann seiner super attraktiven, aktiven und talentierten Frau.
“Du wirkst traurig,” stelle ich fest.
“Ja, weißt du, es ist einfach so ungewohnt, ich kenne das gar nicht von ihm…”
Hm, das stimmt, ich auch nicht. “Hat er denn soviel Stress im Büro?”
“Ich kann dir sagen, er hat inzwischen sogar immer wieder Dienstreisen, die ganz spontan anstehen. Früher wusste er das immer vorher. ich glaub, das hängt alles mit Corona zusammen…”
Uiih, jetzt drängt sich aber irgendwie stark die Vermutung bei mir auf, dass etwas anderes dahinter steckt…Obwohl ich es mir bei Joachim wirklich nicht vorstellen kann!
Aber das behalte ich lieber erst mal für mich.
Das hört sich an, als ob ihr wirklich gerade eine anspruchsvolle Zeit habt.

Ich überlege mir, welches Öl ich Sibylle gleich anbieten werde. Kurz kommt mir die Ölmischung Forgive in den Sinn. Doch dann verwerfe ich die schnell wieder. Ich weiß nicht, ob Sibylle unterbewusst vielleicht so weit ist, aber an der Oberfläche geht es noch nicht um Vergebung. Also entscheide ich mich doch für Console, die tröstende Mischung. Am Abend fahre ich nochmal bei Sibylle vorbei und drücke ihr vor ihrer Haustür noch schnell das kleine Ölfläschchen in die Hand.
Sibylle freut sich, hat das Gefühl, dass ich sie wahrnehme, ihr zugehört habe und mich kümmere. Und sie nimmt ein wenig Trost mit ins Haus.